Im Interview rund um Social Media für Unternehmen, stellt Ronny Gazik von Ringier spannende Fragen an Peter Erni, langjähriger Social-Media-Experte und CEO von Brain & Heart Communication.
Worauf müssen Unternehmen achten, wenn sie erfolgreiches Social Media Marketing betreiben wollen? Was sind die wichtigsten Entwicklungen? In welchen sozialen Medien sollten Unternehmen präsent sein? Welches sind die wichtigsten Social Media Tools? Dies sind nur einige der Themen, die Peter Erni im ersten Teil des Interviews beleuchtet.
PETER ERNI
Peter Erni ist Experte für strategisches Content Marketing, Social Media und Neue-Medien-Kommunikation. Er ist ein erfahrener Leader und Projektmanager für kleine bis mittlere Unternehmen und komplexe Omnichannel-Marketing-Projekte.
RONNY: WELCHES SIND GENERELL DIE SOCIAL MEDIA PLATTFORMEN, DIE DU EMPFIEHLST? WELCHE SIND AUS DEINER SICHT EIN MUSS FÜR JEDES UNTERNEHMEN?
Peter: Bezogen auf die Schweiz sind es vor allem Facebook, Instagram und LinkedIn. Je nach Unternehmen kommen aber auch weitere Plattformen wie YouTube, Twitter, TikTok und Pinterest in Frage. Nischen Plattformen oder Plattformen die ausserhalb der Schweiz beliebt sind, machen nur in Ausnahmesituationen Sinn.
RONNY: SOLLTE EIN UNTERNEHMEN AUF MÖGLICHST VIELEN SOCIAL MEDIA PLATTFORMEN VERTRETEN SEIN ODER LIEBER AUF EINE/ZWEI PLATTFORMEN FOKUSSIEREN?
Peter: Unternehmen sollten auf den Plattformen vertreten sein, wo sich ihre Zielgruppen bewegen und wo diese mit den Inhalten, Produkten oder Dienstleistungen des jeweiligen Unternehmens aktiviert werden können.
Bei der Evaluation achten wir insbesondere auf diese Punkte:
- Ist die Zielgruppe auf der Plattform aktiv
- Ist die Zielgruppe auf dieser Plattform für die Inhalte des Unternehmens zu gewinnen
- Welche Ressourcen stehen zur Betreuung der Plattformen zur Verfügung und kann man damit die gewünschten Plattformen betreiben. Wenn nicht, sollten nur die relevantesten Plattformen aktiv betreut werden.
Auf den weiteren Plattformen können aber durchaus passive Präsenzen mit einem Monitoring hochgezogen werden, damit man diese zu einem späteren Zeitpunkt rasch hochfahren kann.
«UNTERNEHMEN SOLLTEN AUF DEN PLATTFORMEN VERTRETEN SEIN, WO SICH IHRE ZIELGRUPPEN BEWEGEN UND WO DIESE MIT DEN INHALTEN, PRODUKTEN ODER DIENSTLEISTUNGEN DES JEWEILIGEN UNTERNEHMENS AKTIVIERT WERDEN KÖNNEN.»
Peter Erni, CEO, Brain & Heart Communication
Quelle: statista.com
RONNY: WELCHE ZIELE SOLLTE MAN SICH FÜR JEDEN SEINER SOCIAL MEDIA KANÄLE SETZEN UND WIE SIEHT DER ERFOLG AUS, DEN MAN ANSTREBEN SOLLTE?
Peter: Die zu setzenden Social Media Ziele (insbesondere die qualitativen Ziele) sollten sich an den jeweiligen Marketing- und Unternehmenszielen orientieren und in eben diese einzahlen.
Typisch für quantitative Ziele ist es, dass man sich Ziele entlang eines AIDA(R)-Funnels (siehe Illustration) setzt, wobei die Priorisierung je nach Unternehmen, Business Case, Produkt oder Dienstleistung stark schwanken kann.
- Für Awareness sind die wichtigsten Key Performance Indicators (KPIs) Impressions und Reichweite.
- Für Interest schauen wir auf Engagement-Faktoren, also KPIs wie Likes, Kommentare und Video Views.
- Für Desirability betrachten wir hochwertigere Engagement-Faktoren, also KPIs wie Video Through Plays oder Linkklicks.
- Bei Action geht es darum, eine gewinnbringende Aktion beim Kunden auszulösen, daher sind die KPIs im Bereich der Conversions zu setzen.
- Bei Retention geht es um die Kundenbindung, entsprechend relevant sind KPIs wie das Fanwachstum, die Community-Grösse oder organisches Engagement sowie Engagement-Rates.
RONNY: WELCHE STRATEGIEN WÜRDEST DU ANWENDEN, UM LEADS ZU GENERIEREN?
Peter: Meistens gehen wir in zwei Phasen vor.
Die Phase 1 besteht aus dem Datenaufbau, Vorbereitung und Identifikation/Verifikation der Zielgruppen:
- Brand Awareness sicherstellen (z.B. via Brand Awareness Ads – sofern das Produkt oder die Dienstleistung in der Zielgruppe noch nicht 100% bekannt oder klar ist)
- Traffic Ads auf eine Landing Page auf der konvertiert werden kann
- Datentracking z.B. über Facebook Pixel um zu verstehen wer konvertiert ist und wer nicht
- Retargeting Conversion Ad auf Personen die zwar auf der Landing Page waren, aber noch nicht konvertiert sind
- Prospecting Conversion Ad mit Lookalike Audiences (sofern die Plattform solche anbietet) um digitale Zwillinge zu den Personen anzusprechen, die konvertiert sind.
Die Phase 2 besteht darin, Massnahmen auf den vorhanden Daten und den verifizierten Zielgruppen aufzubauen:
- Brand Awareness Massnahmen schrittweise reduzieren (evtl. bis 0)
- Traffic Ads nur noch als Pushes von 2-3 Wochen über das Jahr verteilt einsetzen
- Prospecting Conversion Ads im Anschluss auf Traffic Ads nur noch als Pushes von 3-6 Wochen über das Jahr verteilt einsetzen
- Retargeting Ads mit Up- und Cross Selling weiter ausbauen und konstant über das ganze Jahr laufen lassen
- Datentracking und Datenqualität mit Hinsicht auf die datengetriebenen Zielgruppen laufend überprüfen und weiter verbessern.
RONNY: WELCHE SOCIAL MEDIA TOOLS NUTZT DU BZW. WÜRDEST DU EMPFEHLEN?
Peter: Das Feld der möglichen Tools ist gross. Entsprechend lohnt sich eine gute Situationsanalyse für das gesamte Unternehmen. Nur so werden die richtigen Tools angeschafft, respektive es können auch abteilungsübergreifende Investitionen getätigt werden.
Bezüglich Customer Experience Management ist die Plattform Sprinklr sehr empfehlenswert. Sprinklr ist ein Omnichannel Frontoffice Solution, um alle digitalen Touchpoints (von Social Media über die Website bis hin zu Chats und mehr) mit Kunden zu verwalten, zu monitoren, zu steuern und auszuwerten. Es beinhaltet auch verschiedene Marketing Automationsfunktionen.
Ebenfalls empfehle ich den Einsatz eines CRMs. So zum Beispiel das Customer Relationship Management von Sales Force. Im CRM können Kundendaten und der Lifecycle der Kunden zentral verwaltet und Massnahmen bezüglich Kundenbetreuung, Kundenbindung und Churn abgeleitet werden.
Sofern kein Tool wie Sprinklr im Einsatz ist, das bereits ein Media Asset Management (kurz MAM) inkludiert, gilt es, eine solche zentrale Ablage anderweitig bereit zu stellen. Ein MAM (auch genannt DAM – Digital Asset Management) dient dazu jegliche Assets zentral zu verwalten und entsprechend Copyright Issues und weitere Compliance Themen im Griff zu haben.
Marketing Automatisierung ist ein grosses Thema, das mit gutem Grund. Wer sich Sprinklr nicht leisten kann oder will, ist auch mit Seligent gut bedient. Marketing Automation gilt es dort einzusetzen, wo Automatisierung auch Sinn macht, sprich für die Kunden einen Mehrwert generiert und für das Unternehmen Ressourcen spart.
Falls eine ganzheitliche Lösung für das gesamte Unternehmen nicht in Frage kommt, aber das Marketing Team eine potente Single Point Solution im Bereich Social Media braucht, empfehlen wir Brandwatch (früher Falcon.io). Dieses Social Media Management Tool deckt alle Funktionalitäten ab, die sich ein Marketing Team, respektive ein Social Media Manager, so wünscht. Neu gehören zur Falcon.io-Familie auch Brandwatch.com und Unmetric.com!
Wer auf der Suche nach einer Single Point Solution in den Bereichen Analytics, Reporting und Attribution ist, kommt um PowerBI, Google Data Studio oder amplitude.com nicht herum. Diese helfen die zur Verfügung stehenden Daten aus den unterschiedlichsten Plattformen zu visualisieren und Sinn zu stiften.
RONNY: WAS SIND GEMÄSS DEINER ANSICHT DIE RELEVANTEN SOCIAL MEDIA METRIKEN FÜR DIE VERFOLGUNG DES ROI (RETURN ON INVESTMENT)?
Peter: Es gibt verschiedene Metriken, die in Bezug auf ROI relevant sind. Mit abnehmender Bedeutung würde ich folgende Metriken als besonders aussagekräftig bezeichnen:
- Social Media ROI pro Plattform
Bemerkung: wenn möglich und wenn die Attribution der Conversions auf die verschiedenen Plattformen glaubwürdig ist - Social Media ROS (Return of Sales) pro Plattform
Bemerkung: gleiche Herausforderung mit Attribution wie oben - ROAS (Return on Ad Spend) pro Plattform
Bemerkung: gleiche Herausforderung mit Attribution wie oben - Cost per Pageview und/oder Cost Per Content View (Ansicht einer besonders relevanten Page)
- CTR (Click Through Rate)
Bemerkung: von der Plattform auf eine Landing Page mit Conversion-Möglichkeit - CPC (Cost per Linkklick)
Bemerkung: von der Plattform auf eine Landing Page mit Conversion-Möglichkeit - CPM (Cost per 1000 Impressions)
Bemerkung: Auf Massnahmen mit einem Link, der von der Plattform auf eine Landing Page mit Conversion-Möglichkeit führt
RONNY: WENN DU EIN SOCIAL MEDIA BUDGET HAST, WIE TEILST DU DIESES AUF? WO SETZT DU AKZENTE (UM Z.B. DEN SCHNELLEN ERFOLG ZU ERZIELEN ODER SICH EHER AUF LÄNGERES STORYTELLING ZU FOKUSSIEREN, ODER AUFWÄNDIGE KAMPAGNEN ZU FAHREN)?
Peter: Es handelt sich bei der folgenden Aufstellung um eine generische, da wir uns ja nicht auf ein konkretes Unternehmen fokussieren. Die folgenden Empfehlungen können entsprechend je nach Unternehmen und Business Case stark variieren.
Fokus „schneller Erfolg“:
Für den schnellen Erfolg auf Social Media kommen wir um Paid-Massnahmen nicht herum. Nur so können wir ausgewählte Zielgruppen effektiv erreichen und rasch aktivieren. Folgende Budgetverteilung und folgenden Massnahmenmix würde ich empfehlen:
- Agenturkosten Massnahmen organisch: 0-20%
- Agenturkosten Massnahmen Paid: 40-60%
- Agenturkosten Massnahmen Community Management + Monitoring: 0-10%
- Mediakosten: 30-50% (bei globaler Skalierung oder sehr grossen Budgets kann dieser Anteil zunehmen)
Massnahmen-Mix für den “schnellen Erfolg”:
- 0-20% organisch, 60-100% Paid, 0%-10% proaktives Community Management
- Verschiedene Kampagnen pro Jahr mit einer Laufzeit von 1-4 Monaten pro Thema
- Auswahl der effektiven Massnahmen entlang des AIDA(R)-Funnels je nach Thema.
Fokus „langfristiger Erfolg“:
Um mit Social Media langfristig Erfolge feiern zu können, gilt es neben den Massnahmen für den „schnellen Erfolg“ den Brand zu etablieren und Kundenbeziehungen auch auf diesen neuen Plattformen zu festigen. Qualitativ hochstehender Content, organische Massnahmen und Community Building rutschen folglich in den Fokus.
- Agenturkosten Massnahmen organisch: 20-40%
- Agenturkosten Massnahmen Paid: 20-40%
- Agenturkosten Massnahmen Community Management + Monitoring: 10-30%
- Mediakosten: 30-50% (bei globaler Skalierung oder sehr grossen Budgets kann dieser Anteil zunehmen)
Massnahmen Mix für den „langfristigen Erfolg“:
- 20%-30% organisch, 30-50% Paid, 10-30% proaktives Community Management
- Fokus auf langfristige Massnahmen über das Jahr verteilt mit einer Laufzeit von jeweils 6-12 Monate
- Auswahl der effektiven Massnahmen entlang des AIDA(R)-Funnels je nach Thema
Das Interview gibt dank den spannenden Fragen von Ronny an Peter einen guten Einblick in das Thema Social Media für Unternehmen. Das Gebiet ist jedoch bekanntlich sehr schnelllebig und komplex. Entsprechend gilt es alle Aussagen auch immer kritisch zu überprüfen und seinem eigenen Business Case gegenüberzustellen.
Das Team von Brain & Heart Communication vereint unter einem Dach ExpertInnen zu den Themen strategisches Content Marketing und Social Media Performance Marketing. Gerne können wir dich in diesen Bereichen auch beraten und unterstützen.
Der Expertenblick geht weiter in den zweiten Teil des Interviews!
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