Warum Marketers die irrationale Seite der Kunden verstehen müssen und wie die Verhaltensökonomie sie dabei unterstützt.
HOMO OECONOMICUS – DAS SELTSAME WESEN
Die einen zucken unangenehm berührt zusammen, wenn sie den Begriff Homo Oeconomicus nur schon hören. Für andere ist er seit langer Zeit ein vertrauter, alter, kauziger Freund geworden. Zweifellos hat sich dieser Begriff in den Köpfen festgesetzt und ist nach wie vor allgegenwärtig. Für das doch ziemlich einseitige Menschenbild des Homo Oeconomicus wurden die Wirtschaftswissenschaften lange kritisiert. So glaubten die Ökonomen, dass der Mensch sich ausschliesslich rational und Nutzen maximierend verhält und vor allem die ökonomischen Anreize das menschliche Verhalten steuern. Auf der anderen Seite haben wissenschaftliche Experimente unter anderem bewiesen, dass Menschen Fairness belohnen und unfaires Verhalten bestrafen; auch wenn es sie selbst etwas kostet. Für den Homo Oeconomicus – dem ständigen Eigennutz-Maximierer – ein völlig unvorstellbares Verhalten.
ÖKONOMISCHE STANDARD MODELLE AUF DEM PRÜFSTAND
Gar keine Frage; als theoretisches Gebilde ist der Homo oeconomicus durchaus relevant. Um aber reale Entscheidungsprozesse von realen Menschen abzubilden, ist er jedoch nur bedingt tauglich. Dieser Kritik nahm sich die verhaltensökonomische Forschung an, indem sie bei den ökonomischen Standard Modellen realistische psychologische Annahmen mit eingebaut hat. Erkenntnisse aus der Psychologie und anderen Sozialwissenschaften wurden angewendet, um so die ökonomischen Standard Modelle regelmässig zu testen. Um diese Erkenntnisse überhaupt erst gewinnen zu können, werden vorwiegend experimentelle Labor- und Feldstudien durchgeführt.
Natürlich gibt es durchaus Kritiker der Verhaltensökonomie, die argumentieren, dass dadurch die Standardmodelle der Wirtschaftswissenschaften unreflektiert kritisiert oder darüber hinaus nur die negativen Seiten dieser Modelle akzentuiert werden. Dies ist jedoch keinesfalls das Ziel der Verhaltensökonomie. Denn schlussendlich ist das Testen der Standardmodelle nur Mittel zum Zweck. Letzten Endes geht es bei dieser Methodik darum, Entscheidungsfindungen von Menschen in wirtschaftlichen Situationen und deren Folgen besser untersuchen, verstehen und prognostizieren zu können.
KUNDEN HANDELN INTUITIV UND SIND LEICHT ZU BEEINFLUSSEN
Im Marketing findet diese Auseinandersetzung bis dato grösstenteils mit der ideal wünschbaren und optimalen Entscheidungsweise von Kunden statt. Hier bietet das verhaltensökonomische Wissen einen Mehrwert um das Bild des modernen Konsumenten zu schärfen und qualitativ zu komplettieren. Dreh- und Angelpunkt des unternehmerischen Handelns sowie das Zentrum der Marketingstrategie sollte schlussendlich ja die Kaufentscheidung des Kunden sein. Relevant dabei ist, wie die Kaufentscheidung real abläuft und nicht wie man sich den Ablauf idealisiert vorstellt. Denn rational und bestens informierte Kunden sind in wirtschaftlichen Situationen nur in den seltensten Fällen anzutreffen.
IRRATIONALITÄT ALS BUSINESS OPPORTUNITY
Wir Menschen treffen ständig bewusst oder unbewusst Entscheidungen. Hierbei neigen wir zu Simplifizierungen, handeln oft wider unsere eigenen Interessen und lassen uns ausserdem sehr leicht von anderen Menschen beeinflussen. Man spricht hier von irrationalen Verhaltensmustern, welche sich insbesondere bei Bewertungen, Urteilen und Entscheidungen manifestieren. Was nun aber tun mit dem Wissen um die irrationale Seite der Kunden? Die beste Möglichkeit besteht darin, das klassische Marketing mit evidenten Daten aus verhaltensökonomischen Experimenten zu kombinieren. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit zu erklären, weshalb man trotzdem eine Conversion zum Produkt oder zu der Dienstleistung erreichen kann. Schlussendlich besteht die wahre Herausforderung für Marketers darin zu lernen, wie irrationales Konsumverhalten vorhergesagt und dadurch in eine Opportunity verwandelt werden kann.
NUTZEN FÜR DAS MARKETING
Wer also Verhaltensökonomie im Marketing einsetzt, muss sich auch bewusst sein, dass Kundenpräferenzen aktiv fassbar in Erscheinung treten oder (noch) verborgen vorhanden sind. Mit Präferenz ist die Neigung gemeint, welche Menschen haben, wenn sie unter mehreren Waren oder Dienstleistungen wählen können. Beispielsweise wenn jemand grundsätzlich präferiert ans Meer statt in die Berge zu fahren. Und damit nicht genug; Präferenzen von Kunden sind zudem noch dynamisch und kontextabhängig.
RESSOURCEN
- McKinsey Business: Irrational consumption; how consumers really make decisions
- The Atlantic: The irrational consumer; why economics is dead wrong about how we make choices
- Yale Business School: Behavioral Economics Research
- Zurich Behavioral Economics Network